Neues Aktienrecht als Herausforderung für den VR-Sekretär
Am 1. Januar 2023 tritt das neue Aktienrecht in Kraft. Dieses bringt einiges an Modernisierungen und Flexibilisierungen für Kapitalgesellschaften. Es beinhaltet aber auch Klarstellungen und gewisse Erleichterungen wie Beschleunigungen im Kapitalherabsetzungsverfahren.
Neu kann der VR aufgrund entsprechender statutarischer Regelungen während der Dauer von 5 Jahren das Aktienkapital innerhalb einer Bandbreite, des sogenannten «Kapitalbandes», verändern. Diese Bandbreite beträgt ±50% des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals. Es ist am VR als Gremium, jederzeit sicherzustellen, dass dieses Kapital sauber dokumentiert wird und entsprechende Veränderungen registriert werden. In der Praxis wird er diese Aufgabe dem VR-Sekretär zuweisen, welcher zu deren Bewältigung sinnvollerweise Instrumente wie beispielsweise Standardtraktanden verwenden wird.
GV wird anspruchsvoller
Bisher war die Durchführung einer GV recht einfach geregelt. Sie hatte physisch stattzufinden, auf dem Territorium der Schweiz – eine traditionelle Versammlung eben. Die Covid-Verordnungen haben während der Coronazeit hier bereits Verschiedenes geändert und möglich gemacht. Dies gilt nun umso mehr für die Aktienrechtsreform.
Neu kann die GV gleichzeitig an mehreren verschiedenen Orten durchgeführt werden, sofern die Voten der Teilnehmer unmittelbar in Bild und Ton an alle Tagungsorte übertragen werden. Auch ausländische Tagungsorte sind neu möglich. Ja, die GV kann ab Januar 2023 sogar virtuell und unter Verwendung von elektronischen Mitteln durchgeführt werden, sofern dies in den Statuten vorgesehen ist.
Dazu kommen neue Befugnisse der GV wie die Festsetzung der Zwischendividende oder die Beschlussfassung über die Rückzahlung der gesetzlichen Kapitalreserve.
VR-Sekretär als Sekretär der GV
Hier wird es für den VR-Sekretär – der in aller Regel gleichermassen Sekretär der GV ist – anspruchsvoll. Sowohl bei der virtuellen GV als auch bei der Verwendung von elektronischen Mitteln muss sichergestellt werden, dass die Identität der Teilnehmenden feststeht und deren Voten unmittelbar übertragen werden und dass die Aktionäre Anträge stellen und sich an der Diskussion beteiligen können. Auch ist jederzeit zu gewährleisten, dass die Abstimmungsergebnisse real sind. Die Verantwortung für den Ablauf verbleibt zwar beim Versammlungsleiter, in der Regel dem VR-Präsidenten. Der Sekretär allerdings wird gehalten sein, unter diesen neuen, erschwerten Bedingungen das ta- dellose Funktionieren der GV – bis hin zu technischen Voraussetzungen wie der Bild- und Tonübertragung, der Gewährleistung einer genügenden Internetbandbreite, der Stimmenauszählung etc. – zu garantieren.
Corporate Governance
Die Mitglieder von VR und Geschäftsleitung sind neu verpflichtet, den VR unverzüglich und vollständig über sie betreffende Interessenkonflikte zu informieren. Diese zusätzliche Sorgfalts- und Treuepflicht gilt es im VR zu administrieren. Auch dies ist eine – hoffentlich nicht ganz neue – Herausforderung für den Sekretär des Gremiums, der in der Regel für eine gute Corporate Governance besorgt zu sein hat.
Statuten überprüfen
Verschiedene der neuen Möglichkeiten und Erleichterungen sind nur mit einer entsprechenden Rechtsgrundlage in den Statuten anwendbar. Weiter haben Ge- sellschaften, welche die neuen Vorschriften noch nicht erfüllen, innerhalb von zwei Jahren ihre Statuten und Reglemente den neuen Bestimmungen anzupassen.
Auch hier gilt: Der VR-Sekretär ist gefordert. Er ist gehalten, das Regelwerk der Unternehmung zu überprüfen, allenfalls nötige oder wünschbare Änderungen dem VR zu unterbreiten und sicherzustellen, dass die Unternehmung jederzeit im Einklang mit den Vorschriften ist.